Schmerzensgeld
Viele Folgen einer Verletzung können in Zahlen gefasst werden. Bei allen nachfolgenden Schadenspositionen (außer dem Schmerzensgeld) geht es um den Ausgleich von Nachteilen, um den Ersatz des entstandenen Schadens. Dieser Schaden kann auf Basis von festgelegten Kriterien relativ genau bestimmt werden. Anders ist dies aber in Bezug auf das erlittene Leid und die Schmerzen. Dies in Zahlen zu fassen fällt schwer. Trotzdem gewährt das deutsche Recht dem Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens. Das Schmerzensgeld ist damit ein Ausgleich für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist. Das Schmerzensgeld hat eine sogenannte Ausgleichsfunktion und eine Genugtuungsfunktion.
Der Ausgleichsfunktion kommt dabei die größere Bedeutung zu. Abzustellen ist dabei zunächst auf die Schwere der Verletzungen, die Dauer der Schmerzen, die Intensität der Schmerzen und auch um die Fähigkeit zur Verarbeitung der Schmerzen. Wer schon nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden will und sich entgegen ärztlichem Rat gesundschreiben lässt, der hat entweder eine anspruchsvollen Job, oder er kann mit Schmerzen einfach besser umgehen als andere, die beispielsweise nach einem Schleudertrauma eine behandlungsbedürftige tiefe Depression entwickeln.
Die Ausgleichsfunktion des Schmerzendgeldes wird im Wesentlichen durch folgende Kriterien geprägt:
- Art und Schwere der Verletzungen
- Intensität der Schmerzen
- Dauer der Schmerzen
- Dauer der stationären Behandlung
- Dauer der gesamten Heilbehandlung
- Anzahl und Schwere der Operationen
- Verbleib von Folgeschäden
- Psychische Folgen der Verletzung
- Grad der Arbeitsunfähigkeit
- Dauer der Arbeitsunfähigkeit
- Berufliche Folgen
- Private Folgen (Sportausübung etc.)
Die Genugtuungsfunktion ist die zweite aber weit weniger relevante Säule der Schmerzensgeldhaftung. Der Geschädigte soll durch die Zahlung des Schmerzendgeldes auch Genugtuung erlangen. Folgende Kriterien sind relevant:
- Bestrafung des Täters im Rahmen des Strafrechtes
- Wirtschaftliche Verhältnisse des Täters
- Grad des Verschuldens (leicht fahrlässig bis Vorsatz
- Verzögerte Schadensregulierung
Gerade die verzögerte Regulierung hat in letzter Zeit besondere Bedeutung erlangt. Dabei geht es um das Phänomen, dass die Versicherungen bei steigender Schadenshöhe dazu neigen immer langsamer zu arbeiten und Prozesse oder Vergleichsverhandlungen unnötig in die Länge zu ziehen. Die zwischenzeitlich für den Geschädigten entstehenden Nachteile können immens sein. Allein aus diesem Grunde werden in vielen Fällen die Schmerzensgeldbeträge pauschal erhöht.
Trotz Anwendung dieser Kriterien wird es dem Außenstehenden immer noch schwer fallen eine Verletzung richtig einzuordnen. Deswegen orientiert sich die Schmerzensgeldbemessung auch weitestgehend an der Rechtsprechung der Vergangenheit. Hierzu existieren sogenannte Schmerzensgeldtabellen, in denen die Rechtsprechung systematisch wiedergegeben ist. Die Bekannteste dürfte die ADADC Schmerzensgeldtabelle sein (Viele Mandanten kommen mit dieser Tabelle unter dem Arm zur Beratung). Solche Tabellen sind mit Vorsicht zu genießen. Zum einen fällt die Einordnung von Verletzungen schwer, da dort immer nur Urteile wiedergegeben sind, die eine Vielzahl von einzelnen Verletzungen behandeln. Den Unterschenkelbruch oder den Oberarmbruch gibt es dort meist nur garniert mit anderen Verletzungen, die meist auf den eigenen Fall nicht passen. Weiterhin handelt es sich teils um sehr alte Urteile. Was Mitte der 80er galt ist heute überholt bzw. wenigstens der Teuerung anzupassen. Auch muss man sich immer vor Augen halten, dass dort nur über das Schmerzensgeld diskutiert wird. Alle anderen Schäden – siehe meine Ausführungen – bleiben unberücksichtigt. Wer in Kenntnis der Tabellen also meint ein gutes Geschäft gemacht zu haben, wenn die Versicherung das Doppelte des eigentlich üblichen Schmerzensgeldes als Abfindung zahlt, hat meist in Wirklichkeit ein schlechtes Geschäft gemacht.